Nanna Lüth
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installation

 

A Tree/Body/Trouble of One´s Own

Die Installation, in der die audio-visuellen Materialien von "A Tree/Body/Trouble of One´s Own" präsentiert werden, besetzt einen von vier Säulen begrenzten Ort. Dort, wo die Säulen in das Deckengewölbe übergehen, werden (sexo)logische Diagramme projeziert, so dass die Säulen, derart mit "Kronen" versehen, zu Struktur-Bäumen der Geschlechterforschung werden. In der Mitte dieser Baumschule der Geschlechter steht ein "echter" Baum in einem Eimer; ein Bio-Baum sozusagen, an dessen Ästen kleine Lautsprecher befestigt sind. Man_frau kann sich auf der Bank am Baum niederlassen, um den Stimmen, die aus den Lautsprechern tönen, zuzuhören.

So bezieht sich meine Arbeit einerseits bewusst auf einen ganz konkreten Ausstellungs - Raum "of my own" und andererseits - mit einer dekonstruktiven Verschiebung - auf die feministische Perspektive Virginia Woolfs.

In meiner Arbeit "A Tree/Body/Trouble of One´s Own" geht es auf verschiedenen Ebenen um Sex und Gender, um das Behagen oder Unbehagen mit dem eigenen Geschlecht/den eigenen Geschlechtern, wobei sich dieser Satz in viele Richtungen lesen und verstehen lässt.

Ich habe ich an verschiedenen Orten (Berlin, Saarbrücken, Graz...) Interviews geführt, in denen InformatikerInnen, TechnikerInnen, KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen über Geschlechterkonstruktionen im Zusammenhang mit Logik und Informatik gesprochen haben. Neben der Frage der Parallelen zwischen digitaler Produktion und Geschlechterbildern ging es um biografische Operationen, also um die Einflüsse beider "Komponenten" auf die persönliche Biografie und um Konstruktionen der Störung, der Abweichung. So beschrieben einige Antwortende, wie sie formallogische Verfahren der Kategorisierung, Spezifizierung und Vereinfachung mit ihren sozialen Lebenspraxen konfrontierten. Das sogenannte Schubladendenken macht dabei vor der Alltagswelt nicht halt und teilt auch hier ein in "normale" und "abweichende" Dinge, Subjekte oder Situationen.

In diesen langen Gesprächen gab es vor allem eine zentrale Frage, die ich meinen InterviewpartnerInnen stellte. Die Frage hiess: "Welchem Geschlecht ordnen Sie sich zu?"
Diese Frage wird vielen Menschen niemals gestellt und ich empfand die Antwort darauf jedesmal als grosses Geschenk. Als ich diese Antworten schliesslich versuchsweise für einen Vortrag montierte, entstand ein Dokument grosser Dichte. Vor allem die Momente des Zögerns, des Offenlassens und des Umschreibens reflektierten die Erwartungen, die das Gegenüber (d.i. andere Menschen, allgemeiner die Gesellschaft, in diesem Fall auch die InterviewerIn) in diese Frage setzte.

Welchen Nachdruck - und manchmal auch welche Leichtigkeit - die Antworten in sich trugen, sagte mir viel. So wie etwa die laut lachende Versicherung, dass sich ein Forscher ganz klar als männlich identifizierte, oder die ruhige Feststellung einer Professorin, im Privatleben ganz klassisch die weibliche Rolle zu erfüllen oder auch die eher beiläufige Erklärung eines Studenten, dass schwules Leben Einem in der Großstadt leicht gemacht werde.
Mir, die die Frage stellte, ohne dass sie diese selbst einfach beantwortet hätte - welche Überschreitung meinerseits! (Manchmal schlug mir das Herz bis zum Hals, wenn ich zu einem bewußt gewählten und immer anderen Zeitpunkt diese Frage von meinem Fragebogen ablas), und manchmal welche Intimität. Und wie gelassen viele InterviewpartnerInnen antworteten.
Einige Antworten erzählen von ruhigen Orten, in deren Ecken grosse Identitäts-Sessel stehen, in denen man_frau sich niederlässt mit dem sicheren Wissen, dass niemand uns aus diesem Sessel in dieser Ecke holt, weil wir so aussehen und uns so anhören, als ob wir genau dort hineingehörten.
Oft aber löste die Frage auch Unruhe aus. Unruhe im Sinne von "Unbehagen", wie das Wort "trouble" aus Judith Butlers Arbeit "Gender Trouble", das so ins Deutsche übersetzt wurde. Dazu gäbe es noch viel zu sagen. OhrenSesselOrtSesselZimmerRaum. Ich sitze in einem. In meinem Arbeitszimmer! Hej, zurück zum Titel und zu Virginia.

Woolf schreibt in "A room of one´s own" über ein interessantes Gegensatzpaar: "trivial" und "wichtig". Sie legt offen, wie durch die bloße Zuordung dieser Eigenschaftsworte, z.B. zu Kriegsführung auf der einen und Haushaltsführung auf der anderen Seite, Bewertungen von geschlechtlich codierten sich ausschließenden Tätigkeitsfeldern vorgenommen werden.
Die Exklusivität von bipolaren Systemen, die sowohl Geschlecht(lichkeit) als auch Logik betreffen, wie zum Beispiel die Kategorien "männlich" und "weiblich" oder die
formallogischen Bezeichnungen "wahr" und "falsch", wird hier anhand von Ton- und Bildmaterialien dargestellt und untersucht. Dazu habe ich wissenschaftliche Schemata,Tabellen und Kurvendarstellungen gesammelt und rekombiniert. Die Rhetorik von tradierten, sich gegenseitig verstärkenden Bildsprachen kann so offengelegt werden. Ähnliche Verstärkungen und Verschiebungen ereignen sich durch die Übersetzung und die Montage von Ausschnitten aus den Interviews. Insgesamt geht es darum, eine Analyse des "Normalen" anzuregen und gleichzeitig einen Möglichkeitsraum für "andere", ambivalente Zeichen und Äußerungen zu entwerfen.


Nanna Lüth (photographer and researcher)
Lives and works in Berlin. Since 2001 lecturer and artistic collaborator of the gendernet at the University of the Arts, Berlin. Photo exhibitions and installations in Graz, Berlin, Bonn, Kassel, Reykjavik... Co-curator of "1-0-1 intersex - The Two-Gender-System as Human Rights Violation" (Berlin 2005). Working on a Ph.D. on formal signs and "evidence" production in sexology.

Nanna Lüth (photographie et recherche)
Vit et travaille à Berlin. Depuis 2001 professeur et collaborateur artistique au Gendernet á l´Université des Arts Berlin. Exposition de photos et installations à Graz, Berlin, Bonn, Kassel, Reykjavik... Co-curator of "1-0-1 intersex - The Two-Gender-System as Human Rights Violation" (Berlin 2005). Working on a Ph.D. on formal signs and "evidence" production in sexology.

Nanna Lüth (fotografie en onderzoek)
Leeft en werkt in Berlijn. Since 2001 leerkracht en artistieke collaboratie aan het gendernet van de Universiteit der Kunsten Berlijn. Fototentoonstellingen en installaties in Graz, Berlijn, Bonn, Kassel,Reykjavik... Co-curator of "1-0-1 intersex - The Two-Gender-System as Human Rights Violation" (Berlijn 2005). Working on a Ph.D. on formal signs and "evidence" production in sexology.

 


www.nannalueth.de